Mobiles Arbeiten

Entdecke die Möglichkeiten –
Aber bitte nicht zu sehr!

Marina Kurz, 12.05.2016

Mobiles Arbeiten erfreut sich wachsender Beliebtheit. Nach einer Studie arbeitet bereits fast jeder zweite zumindest hin und wieder von zu Hause aus. Die Rücklaufquote von 41% bei der Mitarbeiterbefragung in 2015 zeigte die hohe Bedeutung in der Belegschaft. Daher soll die aktuelle Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zum mobilen Arbeiten erneuert werden. In Workshops an 37 Standorten wurden die Erfahrungen und Wünsche der Belegschaft gesammelt sowie Chancen und Risiken diskutiert. Seit dem 25.01.2016 finden die Verhandlungen zwischen Gesamtbetriebsrat (GBR) und Unternehmensleitung für eine neue GBV statt. Die Ergebnisse aus Workshops liefern die Basis. Auch wir sind an dem Thema dran und haben zusammen mit anderen Betriebsratsfraktionen einen Forderungskatalog erarbeitet. Nachfolgend ein Überblick und darüber wie andere Unternehmen das Thema regeln.

Schläfst du schon, oder arbeitest du noch? (Foto: Pressmaster, Fotolia.com)

Freies und selbstbestimmtes Arbeiten ist der Wunsch aller Arbeitnehmer. Bereits heute lesen viele Beschäftigte in ihrer Freizeit ihre Emails oder führen geschäftliche Telefonate. Da sie das freiwillig tun, verzichten sie in der Regel darauf, ihre aufgewandten Arbeitszeiten offiziell zu erfassen. Auf diese Weise vermischen sich zunehmend Privat- und Berufsleben. Arbeiten wann und wo es gerade passt, schafft flexible Freiräume, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Das motiviert ungemein, denn das auf diese Weise eingebrachte Vertrauen sorgt für mehr Leistung. So wundert es nicht, dass das Unternehmen diesen Trend für sich nutzen möchte.

 

Doch es gibt auch kritische Stimmen. Den Führungskräften mangelt es oftmals an Vertrauen und Akzeptanz. Um sich mit dem Thema erst gar nicht auseinandersetzen zu müssen, setzen sie dann schon mal tägliche Meetings an. Wir appellieren hier an die Führungskräfte, mehr Mut zu zeigen, denn es geht mehr als man denkt. Gerade die gelebte Führungs- und Wertekultur ist so entscheidend für den Erfolg.

 

Bedenken gibt es auch in der Belegschaft. Heute machen immer noch jene Mitarbeiter Karriere, die Präsenz zeigen. Wie effizient und wie qualitativ die Arbeitsergebnisse sind, scheint zweitrangig zu sein. Ein weiterer Aspekt ist, durch sogenannte LEAN-Projekte werden immer mehr Aufgaben in die Fläche abgedrückt. So muss ein Ingenieur in der Fahrzeugentwicklung immer mehr Aufgaben übernehmen, die mit seiner eigentlichen Tätigkeit nichts zu tun haben. Zum Beispiel seine Reisen selbst buchen und abrechnen, seine Teile selbst beschaffen, seine Gleitzeit im Self Service selbst verwalten etc. Diese vielen kleinen zusätzlichen Verwaltungsaufgaben führen dazu, dass die eigentliche Arbeit auf der Strecke zu bleiben scheint und man manche Aufgaben zu Hause in Ruhe nachholt. Darüber hinaus zwingt die globale Ausrichtung auch zu ungewöhnlichen Zeiten geschäftlich tätig zu werden. Da werden in einem internationalen Projekt schon mal spätabends Telefonkonferenzen notwendig, um alle global verteilten Beteiligten an einen virtuellen Tisch zu bringen. Die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben vermischen sich mehr und mehr und vielen Beschäftigten macht eben diese zunehmende Entgrenzung Sorge.

 

Aus unserer Sicht überwiegen letztendlich die positiven Aspekte. Wichtige Voraussetzung für eine echte Win-win-Situation sind faire Rahmenbedingungen für alle Beteiligten Wir haben uns mit „Mobilem Arbeiten“ genauer auseinandergesetzt und mit unseren Betriebsratskollegen jenseits der IG Metall einen gemeinsamen Forderungskatalog erarbeitet. Nachfolgend unsere Erkenntnisse:

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Was versteht man unter mobilem Arbeiten?

Mobiles Arbeiten umfasst alle beruflichen Tätigkeiten außerhalb des Betriebs, nicht nur am Laptop, sondern auch geschäftliche Telefonate am Handy, Emails bearbeiten am Smartphone oder Konzepte entwickeln auf dem Papier. Dazu gehört genauso das Arbeiten während einer Reisetätigkeit oder von zu Hause aus im Homeoffice. Die Arbeit erfolgt dabei in Eigenverantwortung des Mitarbeiters und unter Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Die individuelle reguläre Wochenarbeitszeit (IRWAZ) bleibt unverändert.

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Wer hat Anspruch darauf?

Mit der aktuell gültigen Gesamtbetriebsvereinbarung besteht kein genereller Anspruch auf mobiles Arbeiten. Lediglich auf Basis der doppelten Freiwilligkeit hat der Mitarbeiter diese Möglichkeit. Lehnt der Vorgesetzte den Wunsch des Mitarbeiters ab, besteht heute keine Chance zu intervenieren, auch nicht mit Hilfe des Betriebsrats. Im Gegenzug kann der Mitarbeiter von seinen Vorgesetzen auch nicht dazu verpflichtet werden! Aus diesem Grund wird mobiles Arbeiten in den Fachbereichen so unterschiedlich gehandhabt.

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Wie machen es andere Unternehmen?

Ein Blick über die Werksgrenzen hinaus zeigt, wie andere Unternehmen das Thema heute geregelt haben. Aus internen Informationen haben wir uns die Betriebsvereinbarungen von BMW und Bosch genauer angeschaut. Hierzu ein Überblick:

Firma BMW

Mobilarbeit ist für die Beschäftigten bei BMW freiwillig! Sie ist vom Unternehmen grundsätzlich gewünscht und für alle Mitarbeiter möglich, sofern es die Aufgabenstellung zulässt. Die Telearbeit wird von der Mobilarbeit abgelöst.

 

Anspruch: Die Unternehmensleitung von BMW befürwortet generell mobiles Arbeiten. Mitarbeiter gehen dabei auf ihre Vorgesetzte zu und stimmen sich hinsichtlich Erreichbarkeit, Aufgaben und Ziele, Art und Weise der wechselseitigen Information und Häufigkeit ab. Es gibt dabei keine Einschränkungen. Lehnt der Vorgesetzte ab oder schränkt das mobile Arbeiten ein, ist der Betriebsrat und das Personalwesen einzuschalten, denn die Regeln sind verbindlich vereinbart.

 

Arbeitszeiten: Alle mobilen Arbeitszeiten gelten als Arbeitszeiten, die vom Mitarbeiter im Zeiterfassungssystem als Zeitdauer erfasst werden. Eine tagesgenaue Erfassung erfolgt nicht und kann auch nicht gefordert werden. Bei mobiler Arbeit sind die gesetzlichen und die tarifvertraglich vereinbarten Regelungen einzuhalten. Tarifliche Zuschläge werden bei angeordneter Mehrarbeit außerhalb der Regelarbeitszeit gezahlt.

 

Erreichbarkeit: Der Mitarbeiter stimmt sich mit seinen Vorgesetzen unter Abwägung betrieblicher und privater Erfordernissen seine Erreichbarkeit ab. Als Orientierung dient die im Team übliche Arbeitszeit. Außerhalb der abgestimmten Arbeitszeiten hat der Mitarbeiter das Recht auf Nichterreichbarkeit. Nachteile dürfen den Mitarbeitern daraus nicht entstehen.

 

Qualifizierung: Mit einem „Mobilarbeitsführerschein“ werden die Mitarbeiter hinsichtlich Daten- und Informationsschutz, Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitszeitgesetz sowie Gleitzeitregelungen qualifiziert. Wichtig, auch Führungskräfte werden zu Aspekten der Führung bei Mobilem Arbeiten geschult.

 

Ausstattung: Die notwendigen Arbeits- und Kommunikationsmittel werden vom Arbeitgeber gestellt, jedoch kein Mobiliar.

 

Versicherung und Haftung: Der Mitarbeiter ist auch während der Mobilarbeit über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Der Mitarbeiter sorgt eigenverantwortlich für eine geeignete Arbeitsplatzgestaltung. Die Haftung der Mitarbeiter für Beschädigungen oder Verlust der bereitgestellten Arbeitsmittel beschränkt sich auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.

Firma Bosch

Seit 2014 gilt bei Bosch eine Konzernbetriebsvereinbarung „Mobiles Arbeiten“, die das Ziel hat, die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben aktiv zu fördern und eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit und -ort im privaten sowie betrieblichen Interesse zu ermöglichen. Nachfolgend eine Zusammenfassung:

 

Bosch definiert in seiner Betriebsvereinbarung mobiles Arbeiten wie folgt: „Mobiles Arbeiten liegt vor, wenn ein Mitarbeiter gelegentlich oder an fest vereinbarten Wochentagen außerhalb des Betriebes dienstlich mobil tätig ist. Dabei ist unerheblich, ob der Mitarbeiter an Bildschirmgeräten arbeitet oder sonstige, nicht an Bildschirmgeräte gebundenen Arbeitsaufgaben erledigt.“

 

Anspruch: Die Betriebsvereinbarung von Bosch sieht vor, dass mobiles Arbeiten grundsätzlich ermöglicht werden soll. Lehnt der Vorgesetzte mobiles Arbeiten für seine Abteilung ab, hat er dies zu begründen. Einwände sind zu prüfen und etwaige Alternativen zu diskutieren. Kommt es zu keiner Einigung, steht den Mitarbeiter ein Weg zur Eskalation offen.

 

Gestaltung: Mitarbeiter und Vorgesetzte einigen sich gemeinsam über die Ausgestaltung. Über Bereiche, in denen mobiles Arbeiten grundsätzlich abgelehnt wird, wird der örtliche Betriebsrat informiert. Dem Mitarbeiter steht auch weiterhin ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung. Weiterhin dürfen dem Mitarbeiter durch den Wunsch oder eine Ablehnung keinerlei Nachteile entstehen. Für Telearbeit gibt es keine gesonderten Regelungen, sie ist zwar prinzipiell möglich, doch es besteht kein Anspruch darauf.

 

Arbeitszeiten: Vorgesetzte und Mitarbeiter stimmen sich einvernehmlich über Anwesenheitszeiten im Betrieb und über die mobilen Arbeitszeiten ab. Die regelmäßige Arbeitszeit ist von Montag bis Freitag. Auf freiwilliger Basis darf der Mitarbeiter auch am Samstag mobil arbeiten. Der Mitarbeiter kann seine Arbeitszeit außerhalb des Betriebs unter Berücksichtigung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen frei und eigenverantwortlich gestalten. Der Mitarbeiter kann seine Arbeitszeit nach eigenem Wunsch entweder pauschal oder zeitgenau in das Zeiterfassungssystem eintragen. Bei mobiler Arbeit sind die gesetzlichen und die tarifvertraglich vereinbarten Regelungen einzuhalten. Arbeit an Urlaubstagen ist nicht zulässig. Tarifliche Zuschläge werden bei angeordneter Mehrarbeit außerhalb der Regelarbeitszeit gezahlt.

 

Erreichbarkeit: Der Mitarbeiter stimmt sich mit seinen Vorgesetzen unter Abwägung betrieblicher und privater Erfordernissen seine Erreichbarkeit ab. Als Orientierung dient die im Team übliche Arbeitszeit. Außerhalb der abgestimmten Arbeitszeiten hat der Mitarbeiter das Recht auf Nichterreichbarkeit. Nachteile dürfen den Mitarbeitern daraus nicht entstehen.

 

Qualifizierung: Einen expliziten „Mobilarbeitsführerschein“ gibt es nicht, vielmehr werden dem Mitarbeiter alle notwendigen Informationen zu Daten- und Informationsschutz bereitgestellt, diese müssen vom Mitarbeiter beachtet werden.

 

Ausstattung: Die notwendigen Arbeits- und Kommunikationsmittel werden in Abstimmung mit dem Vorgesetzten unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung zur Verfügung gestellt, jedoch kein Mobiliar.

 

Versicherung und Haftung: Der Mitarbeiter ist auch während der Mobilarbeit über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Der Mitarbeiter sorgt eigenverantwortlich für eine geeignete Arbeitsplatzgestaltung. Die Haftung der Mitarbeiter für Beschädigungen oder Verlust der bereitgestellten Arbeitsmittel beschränkt sich auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.

 

Eskalationsprozess: Kommt keine Einigung zustande, ist mit dem Mitarbeiter, dem Vorgesetzten und dem nächst höheren Vorgesetzten sowie mit dem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung anzustreben. Bei begründetem Verdacht, dass die Freiwilligkeit verletzt wird, gibt es ein vermittelndes Gespräch zwischen Vorgesetztem, Personalbereich und dem zuständigen Betriebsrat.

 

Bosch gibt in seiner Betriebsvereinbarung schon sehr konkrete Rahmenbedingungen vor. Selbst für die mobile Arbeit im Ausland findet sich eine Regelung.

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Forderungskatalog

Anhand der uns vorliegenden Informationen haben wir für die Daimler AG folgenden Forderungskatalog erarbeitet:

 

  1. Sofern es die Aufgabenstellung zulässt, hat jeder Mitarbeiter bis zu vier mal im Monat einen generellen Anspruch auf mobiles Arbeiten, ohne explizite Zustimmung des Vorgesetzten. Darüber hinaus gehende Anforderungen basieren weiterhin auf beiderseitiger Freiwilligkeit, wobei eine Ablehnung des Vorgesetzten schriftlich begründet werden muss.
  2. Nicht jede Tätigkeit ist für mobiles Arbeiten geeignet. Daher treffen Mitarbeiter und Führungskraft gemeinsam eine individuelle Vereinbarung für mobiles Arbeiten hinsichtlich Aufgaben und Erreichbarkeit.
  3. Arbeitszeiten im Betrieb werden höchstens bis 20 Uhr auf das persönliche Gleitzeitkonto gutgeschrieben. Daher fordern wir, dass Arbeitszeiten außerhalb des Betriebs vom Mitarbeiter zeitgenau oder blockweise ins Zeiterfassungssystem eingetragen werden können. Zuschläge für Arbeiten spätabends oder am Wochenende werden erst in Verbindung mit angeordneter und vom Betriebsrat vorab genehmigter Mehrarbeit fällig.
  4. Mobiles Arbeiten hat einen großen Einfluss auf die Arbeitsplatzgestaltung. Bereits heute denkt man über mobile Arbeitsplätze nach, um Fläche und Infrastrukturkosten einsparen zu können. Dies geht zu Lasten der Beschäftigten, denn sie müssen sich im schlechtesten Fall nicht nur einen Parkplatz, sondern auch noch einen Schreibtisch suchen. Daher soll jeder Mitarbeiter weiterhin seinen festen Arbeitsplatz im Betrieb behalten.
  5. Ein sicherer und reibungsloser Umgang mit mobilem Arbeiten erfordert Kenntnisse in Datenschutz, Ergonomie und Arbeitszeitregelungen. Daher fordern wir mit dem Mobilitätsführerschein eine verpflichtende Qualifizierung aller Mitarbeiter nebst Führungskräfte.
  6. Für den Fall, dass sich Mitarbeiter und Vorgesetzte nicht einigen können, fordern wir einen mehrstufigen Eskalationsprozess. Kommt es zu keiner Einigung, sollen HR und Betriebsrat (einschließlich SBV) für ein klärendes Gespräch hinzugezogen werden. Ist weiterhin keine Einigung möglich, treffen HR und Betriebsrat die Entscheidung ohne den Fachbereich. Sollte es auch hier zu keiner Einigung kommen, wird eine zentrale Schlichtungsstelle kontaktiert.

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Aktueller Stand

Seit dem 25.01.2016 laufen zwischen GBR und Unternehmensleitung die Verhandlungen für eine neue Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zum mobilen Arbeiten. Derzeit liegen die Positionen der Verhandlungsparteien noch sehr weit auseinander. So innovativ wie sich das Unternehmen nach außen gibt, ist es wohl doch nicht. Bislang zeigt die Unternehmensleitung keine Bereitschaft etwas im Sinne der Belegschaft verändern zu wollen. Man beharrt weiterhin auf die doppelte Freiwilligkeit und überlässt der Führungskraft die Macht darüber zu entscheiden, wer mobil arbeiten kann oder darf.

 

Wir sind uns einig, es ist Zeit für eine Neugestaltung der Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) zum mobilen Arbeiten, denn der Bedarf ist vorhanden. Für uns Betriebsräte ein schwieriges Unterfangen, denn einerseits wollen wir die Beschäftigten in ihrem Wunsch nach mehr Flexibilität und Selbstbestimmung unterstützen doch andererseits sind uns Leitplanken zum Schutz vor Entgrenzung wichtig ohne die Beschäftigten dabei zu bevormunden. Unser Fazit lautet: Mobiles Arbeiten ja, aber nur unter fairen Rahmenbedingungen! Wir bleiben dran und informieren Sie frühzeitig.

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