Schöne neue Arbeitswelt?

Fremdvergaben im Fokus

Werner Funk, 20.06.2013

Mit der öffentlichen Debatte um Mindestlohn, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Lohndumping und Zeitarbeitsverträge wachen jetzt auch endlich die Politik und die Gewerkschaften auf! Mit der Agenda 2010 hat man die Regelungen zu Fremdbeschäftigung gelockert, mit dem Ziel möglichst viele Arbeitslose in Beschäftigung zu bringen. Daraufhin wurden die Fremdvergaben in der Automobilindustrie ausgebaut, wobei die bestehenden Gesetze ziemlich ausgenutzt wurden. Bislang lehnten die Gewerkschaften einen gesetzlichen Mindestlohn ab. Doch die stetig zunehmende Zahl an Hartz IV-Aufstockern zwang die Gewerkschaften und die Politik in jüngster Zeit zum Umdenken.

Wie Leiharbeiter mittlerweile reguläre Arbeitsplätze ersetzen – teilweise zu weniger als der Hälfte des üblichen Tariflohns.
Wie Leiharbeiter mittlerweile reguläre Arbeitsplätze ersetzen – teilweise zu weniger als der Hälfte des üblichen Tariflohns. (Foto: Screenshot, Neue Perspektive)

Nach der Ausstrahlung des SWR-Beitrags „Hungerlöhne am Fließband“ am 13.06.2013, wobei die Daimler AG und deren Betriebsräte schlecht weggekommen sind, wurde das Thema „Werkverträge“ betriebsintern mit hoher Priorität auf die Tagesordnung gesetzt.

 

Doch blicken wir kurz zurück und schauen, wie sich die Eigenfertigung und der Fremdbezug bei der Daimler AG in den letzten 15 Jahren entwickelt haben.

In der alljährlichen Betriebsrätekonferenz 2000/2001 sprach der damalige Personalvorstand Günther Fleig bereits von einer atmenden Fabrik. Zitat: „Wir benötigen die atmende Fabrik und deshalb sollen in Zukunft 25% der Arbeitsplätze über Fremdbezug abgedeckt werden“. Damit wurde es offensichtlich, dass die damalige DaimlerChrysler AG verstärkt auf Fremdbezug setzen würde und so der Grundstein zum Vorhaben „Mehr Fremdvergabe“ gelegt wurde.

 

Im Jahr 2002 brachte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Agenda 2010 auf den Weg. Einer der Bausteine war, von den damals 5,3 Mio. Arbeitslosen so viel wie möglich in Beschäftigung zu bringen und die Einführung eines Mindestlohns. Den Mindestlohn lehnten die Gewerkschaften jedoch kategorisch ab, denn nach Aussagen der Gewerkschaften sei dies ein Angriff auf die Tarifautonomie. Es seien die Gewerkschaften, die Tarifverträge mit Entgeltfragen aushandeln.

 

In der Daimler AG wurde seit 2002 die Fremdvergabe sukzessive ausgebaut. Dabei wurden die Gesetze und Regelungen leidlich ausgenützt. In der gesamten Automobilindustrie wurden bis heute immer mehr Werkverträge, Arbeitnehmerüberlassungen sowie eine hohe Anzahl von befristeten Arbeitsverträgen bis heute abgeschlossen insbesondere bei neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

Im Zuge der ERA-Einführung wurde 2004 im Zusammenhang mit der „Zukunftssicherung 2012“ der sogenannten Dienstleistungstarifvertrag abgeschlossen. Davon waren allein in der Zentrale über 400 Beschäftigte betroffen. Bis heute müssen die Betroffenen für das Gehalt einer 35-Stunden-Woche vier Stunden länger arbeiten (39-Stunden-Woche). Man argumentierte diese Maßnahmen wie folgt: „Somit wird nicht ausgegründet.“ Geholfen hat es wenig. Viele Bereiche wurden trotzdem zunächst indirekt durch Fremdvergaben ausgedünnt bis hin zu einer Ausgründung (z.B. Gastronomie/Services, Werkschutz). Wir Betriebsräte sehen gerade im Dienstleistungssektor einen starken Drang zu immer mehr „Billigjobs“.

 

Die stetig zunehmende Anzahl an Hartz IV-Aufstockern zwang inzwischen die Politik zum Umdenken. In den vergangenen anderthalb Jahren musste die Regierung unter dem öffentlichen Druck einige Gesetze und Bestimmungen zur Verbesserung der Arbeitnehmerrechte von prekären Beschäftigungsverhältnissen verabschieden.

 

Doch das reicht bei weitem nicht aus. Was wir brauchen sind Löhne und Gehälter, von denen die Beschäftigten ohne staatliche Aufstockung würdig leben können!

 

Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 €/Stunde vor sowie Regelungen, die den Missbrauch Werkvertragsgestaltungen verhindern. Außerdem soll die Dauer von Arbeitnehmerüberlassung auf höchstens 18 Monaten gesetzlich festgeschrieben werden.

 

Unser Berufsverband kämpft bei Daimler seit Jahren, um die Ächtung von prekären Beschäftigungsverhältnissen. Da muss erst ein Fernsehbeitrag kommen, um die Verantwortlichen in der Politik und in der Gewerkschaft aufzuwecken.

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