Compliance und Arbeitnehmerschutz

Terrorlistenabgleich bei Daimler

Marina Kurz, 22.05.2015

Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 wurden zur Terrorismusbekämpfung eine Vielzahl von Anti-Terror-Gesetzen und Zollverordnungen erlassen. In diesem Zusammenhang sind sogenannte „Anti-Terrorlisten“ bzw. „Sanktionslisten“ immer wichtiger geworden, in denen Personen und Organisationen aufgelistet werden, die im Verdacht stehen terroristische Organisationen zu unterstützen. Hinzu kommt die immense Bedeutung des AEO-Zertifikat (Authorised Economic Operator), das international agierenden Unternehmen zahlreiche Vergünstigungen und Vereinfachungen im Zollverfahren sichert. Voraussetzung für dieses Zertifikat ist jedoch ein regelmäßiger Abgleich von Mitarbeiterdaten. So stellt sich die Frage, was passiert, wenn jemand ins Fadenkreuz solcher Ermittlungen gerät?

Im Kampf gegen den Terror gerät der Mensch zunehmend unter Generalverdacht...
(Foto: Schwarwel, Fotolia.com)

Welche Anti-Terrorlisten oder Sanktionslisten gibt es?

Es gibt verschiedene Sanktionslisten, die in der Regel öffentlich sind. Wie diese Listen zu Stande kommen oder unter welchen Voraussetzungen jemand darauf gelistet wird, ist ebenso wenig transparent wie die Regelungen über den Rechtsschutz der betroffenen Personen. Eine vorherige Anhörung und Informationen über die Gründe sind in der Regel nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Betroffenen unmittelbar nach dem Erlass informiert und angehört werden. Diese Vorschriften gelten unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Gegen die nachfolgend genannten wichtigsten Listen erfolgt der Datenabgleich.

Was ist mit dem Datenschutz?

Für ein international agierendes Unternehmen wie die Daimler AG ist das Zertifikat „zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ in ganz besonderem Maße wichtig, da dieses AEO-Zertifikat (Authorised Economic Operator) dem Unternehmen zahlreiche Vergünstigungen und Vereinfachungen im Zollverfahren sichert, denn ein „zugelassener Wirtschaftsbeteiligter“ gilt ein Unternehmen als besonders zuverlässig und vertrauenswürdig. Voraussetzung für das AEO-Zertifikat ist jedoch der Nachweis eines Datenabgleichs von Mitarbeiter- und Bewerberdaten gegen die Anti-Terrorlisten. Diese anlasslose Massenscreenings wurden von Datenschützern heftig kritisiert, verstoßen sie doch eindeutig gegen das Bundesdatenschutzgesetz. Damit geraten Unternehmen in die Zwickmühle, entweder gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen oder auf das überaus wichtige AEO-Zertifikat zu verzichten. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben und verarbeitet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einen Verdacht einer Straftat begründen und zur Aufdeckung erforderlich und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten nicht überwiegt bzw. der Anlass nicht unverhältnismäßig ist. Doch die Bundesregierung hält den Datenabgleich mit Anti-Terrorlisten für zulässig und beruft sich dabei auf die Anti-Terrorismus-Verordnungen der EU als Rechtsgrundlage. Nun hat u.a. der Bundesfinanzhof am 19.06.2012 die Erteilung des AEO-Zertifikats unter diesen Rahmenbedingungen gebilligt.

Was passiert bei einem Treffer?

Die Anti-Terror-Gesetze der EU schreiben vor, dass jenen Personen, die mit Terrornetzwerken in Verbindung gebracht werden, weder Geld, finanzielle Vermögenswerte noch wirtschaftliche Ressourcen direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden dürfen (Bereitstellungsverbot). Da Entgeltzahlungen an solche Personen gegen dieses Bereitstellungsverbot verstoßen, handeln selbst unwissende Arbeitgeber rechtswidrig. Zuwiderhandlungen gegen das Bereitstellungsverbot sind mit hohen Strafen belegt. Wird ein Arbeitnehmer bei einem Anti-Terror-Screening auf einer der Listen entdeckt, darf der Arbeitgeber keine Gehaltszahlungen an den Betroffenen mehr leisten. Der betroffene Arbeitnehmer wird den Behörden gemeldet, diese veranlassen die sofortige Sperrung aller seiner Konten.

Die Möglichkeiten des Betriebsrats

Die EU-Verordnungen lassen bei diesem Thema keinerlei Gestaltungsspielräume für den Betriebsrat. Umso wichtiger war es daher für uns Betriebsräte, die Rechtsfolgen für betroffene Mitarbeiter in einer Vereinbarung zu regeln. Die Geschäftsleitung hat nun mit dem Konzernbetriebsrat eine Vereinbarung abgeschlossen, die den örtlichen Betriebsräten Optionen sichert und ein Mindestmaß an Vertrauen schafft. Dabei konnten sich die Betriebsratsgremien der Standorte konstruktiv einbringen.

Die Konzernbetriebsvereinbarung (KBV)
zur konzernweiten Prüfung gegen Sanktionslisten

Für die Umsetzung der KBV wurde ein „Center of Competence“, das CoC CSL (Check against Sanction Lists) eingerichtet. Es ist für einen einheitlichen Prozess hinsichtlich der Sanktionslistenprüfung verantwortlich. Es steht als Ratgeber zur Verfügung und überwacht regelmäßig den konzernweiten Prüfungsprozess. Darüber hinaus beurteilt das CoC CSL final mögliche Verstöße gegen die Sanktionen und koordiniert die daraus resultierenden Maßnahmen.


Geprüft werden grundsätzlich alle Mitarbeiter (auch Azubis) sowie alle relevanten Lieferanten, Geschäftspartner, Kunden etc. – auch Bewerber! Die Prüfung erfolgt quartalsweise. Dazu werden folgende Daten herangezogen:

  • Vorname
  • Nachnahme
  • Geburtsdatum
  • Privatadresse


Im Falle eines möglichen Treffers prüft HR Compliance, ob der/die MitarbeiterIn mit der gelisteten Person identisch ist. Führt diese Prüfung zu einem eindeutigen Ergebnis, wird der Fall an das CoC CSL zur weiteren Bearbeitung übermittelt. Dies überprüft nochmals die Personenidentität anhand der vorhandenen Daten des Betroffenen. Bei einer Übereinstimmung der Daten informiert das CoC CSL sofort schriftlich die zuständige Personalleitung, den jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden und ggf. die Schwerbehindertenvertretung sowie die zuständigen Behörden. Insgesamt gilt für alle Prozessbeteiligte Stillschweigen gegenüber Dritten.


Der Betroffene wird zeitgleich schriftlich informiert und erhält Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei kann er eine Person seines Vertrauens (Anwalt, Mitglied des Betriebsrats, Vertrauensperson der Schwerbehinderten etc.) hinzuziehen. Im Falle einer bestätigten Übereinstimmung wird der Betroffene sofort freigestellt, das Entgelt wird nicht mehr ausbezahlt, sondern bis zur endgültigen Klärung auf einem Treuhandkonto hinterlegt. Ferner informiert das CoC CSL den Betroffenen über das Entlistungsverfahren und über das Verfahren zur Freigabe von Geldmitteln über die Behörden. Bei einer Übereinstimmung von Bewerberdaten wird kein Arbeitsvertrag geschlossen, das Bewerbungsverfahren wird beendet.


Ist der Betroffene nachweislich zu Unrecht gelistet worden, muss er – auf Wunsch des Betroffenen – durch den Personalbereich und seiner zuständigen Führungskraft vollständig rehabilitiert werden.


Im März 2015 hat Herta Däubler-Gmelin zu diesem Thema in einem Blog aktuell Stellung bezogen. Dabei vermisst sie in der Konzernvereinbarung eine Regelung hinsichtlich der Erstattung der entstandenen Kosten und Schäden bei einer nachweislichen falschen Listung eines Mitarbeiters sowie die Kontrolle des Verfahrens. Diese Hinweise nehmen wir Betriebsräte in der Zentrale auf und werden das Thema in die zuständigen Gremien einbringen. Doch als Fazit lässt sich sagen, dass mit dieser Vorgehensweise der Kampf gegen den Terror für uns Beschäftigte unmittelbar greifbar wird. Ob die Mittel und Wege in diesem Kampf die Richtigen sind, kann hier nur schwer beurteilt werden. Eines ist jedoch sicher, unsere demokratischen Grundwerte sind in jedem Fall in Gefahr.

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